Wenn man also so wie ich das Pech hat, ein
Kind von nicht neureichen Eltern zu sein, mit Alimenten und Taschengeld auskommen muss, steht man mit einem kargen Budget da.
Familienbeihilfe und Studienbeihilfe (wenn man
sie überhaupt bekommt) sind zwar ganz nett, aber eher ein Tropfen auf dem
heißen Stein.
Und selbst wenn man sich als braver Student sehr viel Mühe gibt
günstig und billig zu leben, hat man doch eine Menge an fixen Ausgaben.
Das Leben besteht nicht nur aus Miete und
Essen.
Da wären insgesamt:
Wohnung: Miete, Strom, Gas+Wasser, TV+Internet,
Haushaltsversicherung, Möbel,...
Uni: Lernutensilien wie Bücher, Mappen,
Collegeblocks, Exkursionen, Ausflüge,… und Studiengebühren die zu meiner
Studienzeit abwechselnd eingeführt und abgeschafft wurden
Alltag: Essen, Kleidung, Alltagsgegenstände,
Medikamente, diverse Fahrkartenmöglichkeiten der Wiener Linien und ÖBB,
Handyrechnung,...
Dann kann es durchaus auch passieren, dass man ein oder zwei Hobbies hat, wenn man ganz böse ist.
Man kauft Bücher um sich privat weiterzubilden, oder Utensilien die man fürs Hobby braucht. Seien das Bastelmaterialien, Malsachen, oder Stoffe, Waffen und Rüstungen für unseren Mittelalterverein, den wir gegründet haben.
Uns wird nicht fad.
Es kommt auch vor, dass man nach einer
Abend-Vorlesung noch etwas mit seinen Kollegen trinken gehen möchte. Außerdem
hat ständig jemand Geburtstag und lädt in Lokale, Bars oder Pubs ein. Das
Börserl schnauft.
Ich habe gelernt, an einem Pint Cider über
eine Stunde lang zu nuckeln, nur damit ich mir nicht noch ein oder zwei bestellen
muss. Der Genuss von warmem, ausgerauchtem Cider hält sich bekanntlich in
Grenzen.
Konzertbesuche, Kino, Frisör, mit dem Zug zur
Oma ins Waldviertel oder zu den Schwiegereltern nach Südtirol fahren,... was
man halt in seiner Freizeit für normal erachtet hatte, stellt plötzlich
finanzielle Barrikaden dar.
Oder Haustiere. Ich habe gesagt bekommen, Katzenbilder erhöhen die Beliebtheit eines Blogs, also bitte:
Letzten Herbst musste meine Kitty am Knie
operiert werden und meine über den Sommer hart ersparten 2000€ waren plötzlich
weg.
Was aber auch weniger schmerzhaft war, als dieser Anblick:
Was macht man also, um sein Budget irgendwie
aufzubessern? Man nimmt jeden Gelegenheits-Job an, den man finden kann. Man
arbeitet neben der Uni, und wenn man Ferien hat, arbeitet man noch viel mehr.
Man vergisst wann Ferien anfangen oder
aufhören.
Unter dem Studienjahr arbeitet man und geht auf die Uni. In den Ferien arbeitet man und geht arbeiten.
Im Grunde kann man nicht gescheit studieren weil man nebenbei arbeiten muss, und man kann nicht gescheit arbeiten, weil man nebenbei studieren muss.
Fixanstellung, geregelte Arbeitszeiten,
geregeltes Gehalt, Routine, Urlaubs- oder Weihnachtsgeld - alles Fremdwörter.
Man arbeitet, man kriegt das Geld, und man
gibt es wieder aus.
Aber man lernt dazu, man lernt Leute kennen,
und vielleicht erfährt man auch von unbekannten Talenten.
Im schlimmsten Fall
kann man nachher sagen: "Sowas mache ich nie wieder!"
Hier ein paar kleine Auszüge aus meinem
Repertoire:
1) Nachhilfe geben.
Kann Spaß machen, wenn das Kind auch bereit
ist, die Dinge aufzunehmen und zu lernen, die man ihm versucht beizubringen.
Ich war eine Zeit lang Nachhilfelehrerin für einen zuckersüßen 13 jährigen
türkischen Jungen, der fast nie ein Wort geredet hat. Ich musste sein Wissen
also schriftlich und mit viel Kreativität aus ihm herauskitzeln, weil er
offensichtlich zu schüchtern war mir zu sagen was er konnte, und wo er Probleme
hatte. Wir erzielten einige Erfolge, und neben dem Lernen wurde ich von seiner
Familie liebevoll mit türkischem Tee und Essen versorgt.
So gern ich den Bub und seine Familie hatte,
sie konnten es sich leider nicht leisten mir für 2 Stunden Nachhilfe mehr als
15€ zu bezahlen. Irgendwann hat das leider nicht mehr meinen Aufwand und die
Fahrt quer durch Wien entschädigt.
Ein anderes Beispiel ist ein von der Pubertät
stark geprägter 13 Jähriger, dessen Lieblingswort "Penis" war. Diese
Stunden waren zwar besser bezahlt, aber meine Nerven habe ich einige Male
verloren, und die bekomme ich nicht wieder.
Eine wahrheitsgetreu wiedergegebene Szene:
Ich: Schau, hier ist eine Bildgeschichte.
Erzähl mir, was du auf dem ersten Bild siehst.
Er: PENIS!
Ich (geduldig): Nein, ich sehe da keinen Penis.
Was siehst du?
Er (kichert deppert): Du hast Penis gesagt,
hihi!
Ich: Ja, der Penis ist das primäre männliche
Geschlechtsorgan. Du hast auch einen. Sagst du mir jetzt bitte was da in der
Bildgeschichte passiert?
Er lacht sich schlapp. Vermutlich weil ich in
einem Satz sowohl Penis als auch Geschlechtsorgan gesagt habe.
Nach 10 min Diskussion haben wir endlich
besprochen, was auf den Bildern der Bildgeschichte zu sehen ist, die er als
Hausübung schreiben soll.
Ich: Na schau, geht doch. Jetzt musst du das
einfach genau so aufschreiben, wie du es mir erzählt hast. Also, wie lautet der
erste Satz?
Er grübelt und schreibt mit Füllfeder in sein
Heft: Penis
Ich seufze und will ihm böse Dinge antun:
Nein, nicht Penis. Nimm deinen Tintenkiller und lösch das weg, und dann schreib
bitte den ersten Satz auf.
Er: Aber was war der erste Satz? Ich kann mich
nicht erinnern!
Ich: Das, was auf dem ersten Bild ist. Du hast
es mir doch gerade erzählt, also schreib es genau so auf, wie du es mir erzählt
hast! Schau dir das Bild noch einmal an.
Er: Sag DUUU mir, was ich schreiben soll!!!
(...)
2) Aushilfe in einer Eventagentur
Das waren wirklich spannende Zeiten! Dort habe
ich viele verschiedene Dinge gemacht und eine Menge Abwechslung erfahren.
Organisieren einer Messe in der Stadthalle:
Aussendungen an potenzielle Aussteller
vorbereiten. Da gab es einen Stapel Flyer und einen Stapel Sticker, und auf
jeden Flyer musste ein Sticker. Trotz dieser wenig intellektuellen
Herausforderung hatten wir im Büro viel Spaß und haben uns gegenseitig unsere
Lebensgeschichten erzählt.
Später musste jeder mit Sticker beklebte Flyer
auch in ein Kuvert.
Dann mussten die Kuverts nach Postleitzahl
sortiert und in Kisten gesteckt werden, damit die armen Menschen bei der Post
nicht so viel Arbeit hatten.
Ein paar Wochen später habe ich bei allen
potenziellen Ausstellern angerufen und nachgefragt, ob die Sendung ankam und ob
Interesse an der Messe bestünde.
An den Tagen vor und nach der Messe habe ich
beim Auf- und Abbau geholfen, während der Messe saß ich an der Ticket-Kassa,
oder habe im Hintergrund die Goodie-Sackerl mit Goodies bestückt und ausgeteilt.
Zwischendurch habe ich bei diversen
Abendveranstaltungen dieser Agentur auch Kassajobs gemacht. Vor allem bei 70er
Jahre Clubbings, was immer recht witzig war. Und wenn der gröbste
Besucheranstrom vorbei war, hatte ich sogar Zeit meine Hausübungen wie zum
Beispiel Mittelbretonisch-Übersetzungen zu machen.
3.) Babysitten von Volkschülern
Diverse Bekannte von meinen Eltern haben sich
immer wieder über meine Babysitting-Dienste gefreut. Und ich war immer auf dem
Laufenden darüber, was 10 Jährige gerade total cool fanden. Ich konnte
tiefschürfende Diskussionen über Pokemon führen, und habe mit ihnen bei Tee und
Keksen "Das Haus Anubis" im Fernsehen angesehen. Ich war auf
Spielplätzen das größte Kind und die verrückteste Begleitperson. Ich habe Bilder
von Comicfiguren gezeichnet, die dann stolz in den Kinderzimmern an die Wand
gepinnt wurden. Ich hab die Kiddies in ihre Betten gebracht und ihnen zum
Einschlafen noch Geschichten über meine Meerschweinchen erzählt. Wenn sie brav
geschlafen haben, habe ich Krimis im Fernsehen angeschaut und mich unglaublich
erwachsen gefühlt.
4) Aushilfe in einem Privatspital
Das war immer die Zeit, in der ich sowohl
intellektuell gefordert (manchmal auch überfordert) wurde, als auch ein gutes
Gehalt bekommen habe. Leider immer nur für 3 Monate oder so.
Ich war Rezeptionistin für die Ärzte, die sich
an bestimmten Tagen in freistehenden Ordinationen im Spital einmieteten. Habe
Post ausgeteilt, Termine vereinbart, neue Patientendaten aufgenommen, und so
weiter.
Ich war auch schon zweimal kurzfristig
Stationssekretärin, wo ich plötzlich mit Null Ahnung vom Gesundheitswesen den
ganzen Schwestern und Ärzten auf der Station eine Hilfe hätte sein sollen. Ist
mir beim zweiten Mal besser gelungen als beim ersten Versuch. Aber wenn man
nach manchen 5-Stunden Arbeitstagen im Spital zu Hause erst einmal 3 Stunden
schlafen muss, weiß man, dass man was getan hat.
Man wird mit solchen Jobs zwar nicht reich an Geld, aber dafür reich an Erfahrungen.
Am Ende des Monats wünscht man sich aber leider doch irgendwie mehr Geld als Erfahrung.
Besonders gute Freundinnen geben einem dann
plötzlich den Rat:
"Weißt du, du solltest zu studieren
aufhören und lieber arbeiten gehen. Weil du kannst nicht die ganze Zeit mit
einem Minus am Konto leben und dich darauf ausreden, dass dein Vater keine
Alimente zahlt. Studieren kannst du später immer noch."
Im Nachhinein betrachtet bin ich durchaus froh
- und stolz - dass ich diesen Rat nicht befolgt habe. Irgendwie hat sich ja
doch alles geregelt.
Seit 2011 bin ich nebenbei auch Nageldesignerin
und habe dadurch einen ziemlich sicheren Job, eine Teilzeit-Anstellung,
geregelte Arbeitszeiten und schöne Zuckerl wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Jetzt haben wieder einmal die Ferien begonnen,
und für mich sind es die ersten Ferien, die WIRKLICH KEINE mehr sind.
Es ist einfach nur SOMMER :D
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